Heiss, Eis, Mandeln - was für ein Sommer

Wenn alles an der Mandel hängen bleibt

Mit guten Vorsätzen ist das so eine Sache. Nicht nur an Silvester und Neujahr. Auch mitten im Jahr kann man sich theoretisch neue Ziele setzen. Ende Mai, lange bevor sich „Die Mannschaft“ in Russland vor der gesamten Weltöffentlichkeit bis auf die Knochen blamierte, lange bevor unser aller Kanzlerin einen ersten echten Schritt in Richtung Rente ankündigte, lange vor Beginn des Mega-Sommers, der ja überhaupt gar nix mit dem Klimawandel zu tun hat lange vorher proklamierte ich hier voller Stolz das Ende der winterlichen Erkältungswelle im Rabaukenhaus und kündigte vollmundig eine Reihe neuer Geschichten und Anekdoten aus dem Rabaukenhaus an. Wie töricht von mir. Was war ich doch für ein Schmock! In meiner heutigen Episode rücken daher die Kids ausnahmsweise mal in den Hintergrund, heute geht es bei PapasRabauken explizit mal nur um den Papa der Rabauken. Das letzte Mal in diesem Jahrhundert, versprochen.

Szenenwechsel: Wir drehen den Zeiger der großen Lebensuhr ein paar Monate Richtung Sommer zurück, just zu dem Moment als wir zuhause den Höhe- oder besser Tiefpunkt eines Keim- und Virentsunamis gerade überwunden hatten. Die Kinder waren endlich wieder vollkommen fit und hatten sich diesen Sommer mit Hitze, Sonnenbrand, Mückenstich, Wespenplage & Co. redlich verdient. Ich dagegen liege im Krankenhaus. Im selben, in dem unsere Zwillinge damals zur Welt gekommen sind und eigentlich auch unser Sohn. Eigentlich. Aber das ist eine andere Geschichte.

Heute liegt dafür aber nicht die „bessere Hälfte“ in der Pränatalstation in der Horizontalen, um zu pressen, was das Zeug hält, sondern ich. Pressen, nein, das kommt mir nicht in Sinn. Ganz im Gegenteil, ich soll es sogar absolut vermeiden. Stattdessen liege ich hier regungslos uninspiriert und lutschkaue an einem Stieleis, heute bereits das vierte seiner Art. Denn ich bin jetzt mandellos. Nicht sprachlos, nicht mittellos, auch nicht hilflos, aber mandellos.

Wassereis
Wassereis, mit künstlichen Fruchtsäuren versetzt, sagte die Schwester. Hat trotzdem gebrannt.

Dabei mag ich Mandeln, zumindest vom kulinarischen Aspekt her. Zerhackt und mit feinem Zimt gemischt auf einem Teller mit heiss gekochtem Haferbrei dampfend. Oder in der „gebrannten“ Variation, die ich seit einigen Jahren dank eines feinen Rezepts meiner backenden Schwester oft selbst gern zubereite. Einem Magnum ohne Mandeln fehlt auch irgendetwas Essenzielles. Kurzum, Mandeln sind schon was Feines. Außer, wenn sie entzündet sind, chronisch entzündet. Dann sind Mandeln alles andere als fein, das sind sie groß, geschwollen, zerklüftet, belegt und mitunter eitrig. Nervig, lästig und überflüssig dazu. Dann müssen sie raus und kommen nie wieder. Auf Mandelnimmerwiedersehen.

Antibiotika und andere Placebos

Dabei spielt es jetzt auch gar keine Rolle mehr, dass ich in den letzten 20 Jahren eigentlich überhaupt nie ernsthaft krank war bzw. an irgendetwas litt, das nicht mit Paracetamol oder Wick Medinait heilbar war. Von Mandelentzündungen war ich so weit entfernt wie wir Hamburger von der nächsten totalen Mondfinsternis im 22. Jahrhundert. Vielleicht ist es ja tatsächlich der plötzliche Umgang mit so vielen Bakterienschleudern in Kita & Co., der einem das eigene Immunsystem mal so richtig durch die Knochenmühle dreht. Und dummerweise bleibt alles an den Mandeln hängen. Der ersten körperlichen Instanz in Sachen Immunsystem. Da helfen dann auch irgendwann keine Antibiotika mehr. Obwohl ich Einiges probiert habe. Im Nachhinein fühlte es sich fast wie eine Whiskey-Verkostung an, nur halt mit Antibiotika statt Glenfiddich & Co. Meine Lowlights: Amoxillin mit ganz schwachem Bouquet und noch schwächer im Abgang, nur noch negativ getoppt durch Doxycyclin, da hätte ich auch gleich ne gammelige Kartoffel essen können, hätte genauso (wenig) gewirkt.

Antibiotikum
Noch so ein Antibiotikum.

Clindamycin konnte ich nur eingeschränkt empfehlen, bekommt nicht jedem Magen- und Darmtrakt. Das gute alte Penicillin konnte zumindest teilweise überzeugen. Über alle anderen Mittelchen, die angeblich die Immunabwehr stärken, legen wir ganz im Sinne der Pharma-Mafia mal lieber den Mantel des Apotheker-Schweigens.

Im Nachhinein stellte ich fest, dass um gleich bei der Whiskey-Analogie zu bleiben die mannigfaltigen Nebenwirkungen besagter antibiotischer „Wundermittel“ denen eines übermäßigen Whiskey-Konsumverhaltens ähneln:

So richtig auf der Höhe ist man trotz oder gerade wegen der Mittelchen weder körperlich noch mental. Das Immunsystem geht zudem immer weiter in die Knie, weil ja auch die „guten“ Bakterien dran glauben müssen. Dazu die Tatsache, dass man sich in unseren Breiten wirklich ziemlich blöd vorkommt, wenn man sich nur noch hinter einem Mundschutz vermummt traut die Kinder bei der Tagesmutter abzugeben, nur um das Risiko eines weiteren zusätzliches Infektes zu minimieren. So ein wenig wie Falschgeld muss sich auch irgendwie der vom Whiskey-Gourmet zum -Gourmand-Mutierte fühlen, wenn er sich neben den drei Flaschen Sprit noch ein Päckchen Kaugummi und eine Banane an der Supermarkt-Kasse in die Plastiktüte stopft.

Und weil das eigene Kranksein ja nicht schon anstrengend genug ist da sind dann ja da noch drei Kinder, die tagtäglich auf dir rumhüpfen, dich vollquaken und alle Launen an dir austesten, die sie sich von anderen Plagegeistern abgeschaut haben. Ganz schnell wird dann aus dem V ein H, der Vater zum Hater [engl.: ˈheitə(r)], der die Welt und vor allem seine Kinder nicht mehr versteht: „Wie können mich die Blagen nur so dermaßen nerven, haben die denn kein Verständnis dafür, dass ihr beloved father hier schon seit Wochen vor sich hin darbt und einfach nur ein wenig Ruhe und Erholung benötigt. Könnt ihr das nicht verstehen, ihr Rotznasen?!“ Nein, das können sie nicht. Das ist nicht ihr Job. Ihr Job ist es zu nerven, den Finger in die Wunde zu legen, bis Papa sich endlich unters Messer legt. Lange Rede, kurzer Sinn: Die Gaumen-Mandeln müssen ab.

Ich hasse Krankenhäuser

Die linke und die rechte. Wie das Ganze operativ abläuft, habe ich mir vorab nicht in Gänze oder detailliert erklären lassen, ich bin kein Masochist. Als von „ausschaben“ und „löffelähnlichem Instrument“ die Rede war, schaltete ich ab. Zum Glück kann man sich im Nachhinein auf Youtube anschauen, wie so eine OP abläuft und wie diese kleinen fiesen Mandeln in freier Natur auf dem Seziertisch, und nicht am Gaumen klebend, ausschauen. Guten Appetit!

Was ich vorab aber leider erfahren hatte, war die Tatsache, dass ich nach der OP zur Kontrolle mindestens vier Tage im Krankenhaus auf Station bleiben musste. Habe ich eigentlich schon erwähnt, dass ich Krankenhäuser hasse? Nicht nur aufgrund der Tatsache, dass ich dort als Besucher oft mehr Leid als Heilung erleben musste (vermutlich heisst es deswegen auch Krankenhaus und nicht mehr Heilanstalt). Sondern auch aufgrund der eindeutigen Fakten- und Gemengelage: Da ist erstens dieser penetrante Geruch von Desinfektionsmitteln. Dazu die wirklich miese, Pumakäfig-artige Luft in den Männer-Patientenzimmern, weil es immer einen gibt, der sich NICHT wäscht. Und dazu diese typischen ellenlangen Stations-Gänge, die mich an mein altes Bundeswehr-Kasernengebäude während der Grundausbildung erinnerten.

Mittagessen
Willst du das noch essen, oder kann das weg?

Auf der einen Seite die Patientenzimmer- bzw. Soldatenstuben, in denen man sich zu keiner Uhrzeit sicher sein kann, dass nicht doch einer hereinplatzt und dich aus dem Nichts wegen einer Lappalie anbrüllt: „Schlafen!“ Auf der anderen Seite, das Schwestern-Zimmer bzw. das Wachzimmer, das immer dann unbesetzt ist, wenn man mal etwas fragen will. Morgens um halb 3 zum Beispiel. Naja, und vom Essen wollen wir gar nicht erst sprechen. Mit einem wundoffenen Hals kriegt man zwar eh kaum etwas Anderes runter als Wasser, Eis, Wasser mit Eis, Eis mit Wasser, Wassereis und Eiswasser. Abwechslung ist anders. Aber so richtig habe ich mich auch anschließend mit der festen Nahrung nicht anfreunden können, genausowenig wie damals in den Kantinen beim Bund. Aber da gab es zum Glück wenigstens Alternativen.

Das mit riesigem Abstand Allerallerschlimmste an Krankenhäusern sind aber ohnehin die vielen rumlaufenden Menschen, die Weiß- und Blaukittel, die um einen herumscharwenzeln, und wo du nie genau weißt, ob derjenige gerade im OP dein Leben gerettet hat, die Essensbestellung für den nächsten Tag entgegennehmen möchte oder einfach nur mal feucht durchwischen will das Zimmer oder dich. Ich hasse Krankenhäuser. Aber warum mache ich eigentlich jetzt so ein Drama draus?

Heul nicht rum, du Mimose

Es gibt Ereignisse in einem Leben, die perfekt erscheinen, da sie perfekt in den ein oder anderen Lebensabschnitt passen. Und es gibt Zeitpunkte, die einfach überhaupt gar nicht passen. Pas du tout. Zum Beispiel, wenn einer der wenigen kulturell unverwässerten TV-Sender der Republik ein Porträt über dich, den Vollzeit-Vater, und deine Familie drehen möchte. Für die Prime Time. Weil so ein Vollzeitvater, auch wenn ich den Job nur vorübergehend mache, heutzutage noch immer äußerst selten anzufinden ist.

Ich in der Prime Time. Kurz vor der Tagesschau. Ganz ehrlich: Die Vorstellung, dass mal eben so +/- eine halbe Million Leute dich und deine Visage in der Glotze sehen und erkennen, dass Väter durchaus für andere Aufgaben prädestiniert sind als am Wochenende Brötchen zu besorgen oder einmal die Woche das Auto durch die Waschstraße zu schieben, erschien mir durchaus verlockend und spannend.

Auch wenn ich früher in meinem Job für jede Presseanfrage dankbar war und jeden Pressekontakt gern bis zum letzten My mit Infos gefüttert habe, kam ich in diesem Fall, zu diesem Zeitpunkt, ins Grübeln. Kurz nach einer Mandelresektion in der Phase der Rekonvaleszens, sprich: Links und rechts ein Speiseeis in der Hand, die Telefonnummer der HNO-Notrufzentrale vor mir im Anschlag liegend, will ich da wirklich, dass mich jemand ganz tiefgründig zu meiner Vaterrolle befragt? In meinem Fall obsiegte der Verstand über das Herz und das Ego. Man muss so eine Chance auch einfach einmal sausen lassen können, ohne sich zu grämen. Das konnte ich. Und das ist auch gut so.

Generell waren die letzten Monate ohne Erzähldruck daher ideal, um mal ein wenig über den Tellerrand zu blicken und zu rekapitulieren.

Und was lernen wir aus dieser Episode?

1. Wenn kleine Kinder in Kita & Co. kommen und Viren, Bakterien und schlechte Laune mit nach Hause schleppen, schließt man sich als Eltern besser im Keller ein und wartet einfach ab. So zwei oder besser drei Jahre, bis die Luft wieder rein und der Spuk vorüber ist.

2. Bevor man sich bei häufig auftretenden Mandelentzündungen ein Antibiotikum nach dem anderen reinzieht, besser sofort die Mandeln rausholen  idealerweise macht man das ganz fix in der Mittagspause selbst mit Geflügelschere und Tempo-Taschentuch. Dann erspart man sich den Krankenhaus-Fraß.

3. Ich habe viel positives Feedback erhalten hat im Laufe des vergangenen Jahres, auf das was ich hier unregelmäßig regelmäßig und in aller Ernsthaftigkeit über das Zusammenleben mit drei Rabauken berichtet habe. Das hat mich angestachelt, ein wenig drüber nachzudenken, was PapasRabauken noch leisten kann für alle real existierenden Väter und die werdenden. Daraus sind ein paar Hirngespinste und ernstzunehmende Ideen erwachsen, die wir in den nächsten Wochen und Monaten umsetzen werden. Also, dranbleiben!

 

Veröffentlicht von

rabaukenpapa

Stolzer Dreifach-Papa und CFO (Chief Family Officer), weil gesegnet mit Thronfolger und Zwillings-Prinzessinnen. Vor dem Papa-Job ein Jahrzehnt in der Kommunikation und Werbung tätig, dabei erinnerte Vieles oft an Kindergarten, den ich jetzt 24/7 real zuhause habe.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

WordPress Cookie Plugin von Real Cookie Banner