Schreiendes Kind

Top 5 der beliebtesten Tatorte von kindlichen Wutanfällen

Das Jahr 2018 ist endlich Geschichte. Zeit, um sich noch einmal den schönen und weniger schönen Erlebnissen des vergangenen Jahres zu widmen. Da wir uns 2018 gleich mit mehreren Kindern entweder in der Trotzphase oder bereits der Zahnlückenpubertät befanden, bleiben mir insbesondere einige der weniger schönen Situationen in bester Erinnerung. Wenn kleine Kinder eine Sache beherrschen, dann ist es zu den unmöglichsten Zeitpunkten und an den unmöglichsten Orten ihren kindlichen Emotionen freien Lauf zu lassen. Das wäre auch nicht der Rede wert, wenn es sich um ausschließlich positive Emotionen handelte. Leider passiert UNS so viel Positives selten, äußerst selten. Seit geraumer Zeit erleben wir stattdessen immer häufiger, wie die kleinen Rotzgören – gerade auf neutralem Grund und Boden – ihre zickigsten Marotten und Eigenarten ausleben. Noch vor wenigen Jahren habe ich mich in der Öffentlichkeit für schreiende Kinder fremdgeschämt. Und die oft teilnahmslos nebenstehenden, offensichtlich überforderten Eltern(teile) als schwach, versagend und verweichlicht abgestempelt. Dafür entschuldige ich mich hiermit! Wo genau der kindliche Terror einen treffen kann, erfahrt ihr in den ‚Top 5 der beliebtesten Tatorte von kindlichen Wutanfällen‘.

1. Der häusliche Flur, kurz bevor man das Heim verlassen will

Man kennt das: Erst hat man selbst mal wieder richtig schön verpennt, die Kinder schälen sich dementsprechend auch erst mit deutlicher Verspätung aus den Betten; Frühstück und Kaffee werden innerhalb von 185 Sekunden zubereitet und hinuntergeschlungen. Alexa berichtet im Minutentakt die Uhrzeit. Heute muss das Anziehen der schlaftrunkenen Akkord-Frühstücker deshalb umso besser funktionieren. Denn die Zeit bis zur finalen Bring-Deadline in der Kita läuft unerbittlich ab. Tausendstel werden zu Hundertsteln, Sekunden zu Minuten. Jetzt nur noch schnell das blaue Haargummi in die Haare…kreisch…brüll… zwischenzeitlich japst jemand nach Luft. 100 Dezibel dröhnen in meinen Ohren. Die Apokalypse erscheint dagegen wie ein sonntägliches Kaffeekränzchen. Wie kann ich mir nur anmaßen, ausgerechnet dieses blaue Haargummi für das Haupthaar einer meiner Töchter auszusuchen?! Ich lese in ihrem aufgequollenen, verheulten Gesicht, das Sly Stallones zu besten Rocky-Zeiten ähnelt, folgende unmissverständliche Nachricht an mich: „Papa, das geht gar nicht. Blau? Hast du mal mein restliches Outfit begutachtet? Das kann nicht dein Ernst sein!“ Dazu zwischen den Zeilen: „Und da ich als zweijähriger Hosenscheißer noch nicht geradeaus sprechen kann, schreie ich dir meine Meinung zu deiner frevelhaften Auswahl auf klar verständliche Weise halt direkt ins Gesicht. Weil ich es kann. Und du keine Ahnung von Mode hast, Papa. Bähm.“ Selbstredend sind in solch einer Situation auch die alternativen Farbvariationen besagten Haargummis in rosa, türkis, gelb, grün oder rot nicht mehr gefragt. Merke, morgens verzichten wir zukünftig auf Haargummis, oder besser noch: komplett auf Haare

2. Irgendein Bürgersteig, Parkplatz oder Feldweg, bei Nieselregen

Auch folgende Situation wird vielen Eltern nicht gänzlich unbekannt erscheinen. Egal, ob es ein kurzer Spaziergang in der Hood ist, z.B. auf dem Weg zum Spielplatz, oder manchmal auch nur auf dem Parkplatz drei Meter vor dem „rettenden“ Auto passiert:

Wie aus dem Nichts geht das Kind auf höchst theatralische, in einer geradezu neymaresken Art und Weise, zu Boden. Zuerst die Knie, meist parallel, dann die Vorderhufe, schöööön langsam. Quasi in Zeitlupe, damit jeder unbescholtene, zufällig vorbeilaufende Zuschauer das Geschehen auch in voller Pracht bewundern kann. Dazu trägt das Kind diesen gequälten, niederschmetternd aufgelösten Blick, wie der eines beliebigen SPD-Parteivorsitzenden aus dem letzten Jahrzehnt. Dicke Tränen kullern aus den Mini-Schlitzen, die mal Augen waren. Die Erdanziehung tut ihr übriges. Da liegt es nun, das Kind, alle Extremitäten von sich gestreckt, wie ein doppelt-umgedrehter Maikäfer bäuchlings in der Pfütze. Arme und Beine beginnen nun in einem unablässig trommelnden 4/4 Takt alternierend sowohl den Boden als auch die umgebende Luft zu malträtieren. Unser beider Stimmung sinkt in Richtung Null Kelvin. Das ist frostig, mehr als frostig. Ohne auch nur im Ansatz zu wissen, was den sterbenden Schwan dazu bewogen hat, sich der Schwerkraft und einem massiven Stimmungstsunami hinzugeben, bin ich stiller Beteiligter dieser grotesken Szenerie. 30 Sekunden. Eine Minute. And counting. Bis mir klar wird, dass ICH derjenige bin, der die Zügel in der Hand hält: „Eierkuchen, soll ich dir Eierkuchen machen?!“ Es dauert keine drei Sekunden, bis wir unsere Reise fortsetzen können. Merke: Autorität kann man zwar nicht erlernen, aber erkochen und erbacken

3. Die Supermarktkasse als finales Ziel des Quengelwarenspießrutenlaufs

Einkaufen mit Kindern kann etwas Befriedigendes an sich haben. Zumindest, wenn es sich die Kinder auf dem Parkplatz im Auto unter fachgerechter Betreuung gemütlich machen, bei einem Hörspiel oder einem ausgedehnten Nickerchen. Dann macht Einkaufen echt Laune.

Suboptimal dagegen ist so ein Supermarkt-Besuch, wenn dich drei Kinder begleiten. Obwohl du eigentlich nur ein Toastbrot, drei Liter Milch, eine Packung Eier und Kaubonbons besorgen musst. Dauert keine drei Minuten. In meiner Welt sind es allerdings drei Einkaufswagen, mit denen wir den mühsamen Weg, am Pfandautomaten vorbei, in die heiligen Hallen des Konsums beschreiten. Drei Kinder mit drei Einkaufswagen, welche selbstredend nun auch alle befüllt werden möchten. Also finden nun auch drei Packungen Toast, 30 Eier, neun Liter Milch und sämtliche Kaubonbons aus dem Regal den Weg in die Einkaufswagen. Und Joghurt. Der stand zwar nicht auf der Liste, aber naja. Fünf Geschmacksrichtungen, insgesamt zwanzig Portionen. Für den Fall, dass es nicht jedem mundet. Genau wie beim Käse. Den gibt es mit Löchern, mit OHNE Löchern, mild, nussig, geschnitten oder cremig als Frischkäsevariante. Packen wir alles ein, jeder alles einmal. Zur Sicherheit. Damit sich niemand benachteiligt fühlt. Sonst kippt die Stimmung noch, oh weh. Das gilt es natürlich zu vermeiden. Zu schön ist es auch mitanzusehen, wie Kind A Kind B durch sämtliche Gänge scheucht, während Kind C den Einkaufswagen mit Karacho in die Kiwis steuert.

Da ist das dicke Ende aber noch nicht abzusehen. Denn sobald sich das Einkaufswagen-Trio Infernale der Kassenregion nähert und damit die Rote Zone der Quengelware betritt, brennen den quirligen Süßwarenvernichtern alle Sicherungen durch. „Will haben, Paaaapa“, schallt es an Kasse 4 während flinke Hände nach Kinder, Mars und Wrigleys greifen. Das erste väterliche ‚Nein‘ wird noch mit einem schelmischen Grinsen beantwortet, nach dem Motto: „Das meinst du doch nicht ernst, Papa?!“ Das zweite, schon etwas forderndere ‚Nein‘ hinterlässt beim verblüfften Nachwuchs bereits nachhaltig schlechtere Laune. Die Schnute verwandelt sich binnen Sekundenbruchteilen in ein Gemenge aus Trotz und aufkommender Aggressivität. Sobald die Unterlippe einen umgekippten Halbmond geformt hat, ist jegliche Aussicht auf Verbesserung der angespannten Situation verschwunden. Die kindliche Wut bahnt sich ihren Weg Richtung Kassiererin.

Ab diesem Moment geht es nur noch um Schadensbegrenzung. So schnell wie möglich die Einkäufe aufs Band geworfen, Karte durchgezogen, alles wieder mit langem Arm in die Einkaufswagen zurückgewischt. Dazwischen die empörten Blicke der kinderlosen Kunden wahrgenommen, die dem herzlosen Vater zufliegen, weil er den Kindern nicht mal ’ne Milchschnitte gönnt. Obwohl sie die ja hassen. Aber das wissen die Empörten leider nicht. Diese Schlaumeier.

4. Irgendeine Sitzmöglicheit beim Essen

Die Familie zu Tisch. Was für eine Sauerei. Auch wenn Messer, Gabel und Löffel bereits zum alltäglichen Gebrauchsgegenstand geworden sind – und das nicht nur bei der Ü18-Fraktion am Tisch – beschwören die gemeinsamen Mahlzeiten immer wieder ein Schlachtfeld herauf, das seinesgleichen sucht. Wer diesem kulinarischen Massaker frühzeitig entgegenwirken will und seinen Kindern eine simple Hilfestellung beim Beschmieren des vollkörnlichen Brotes mit zu-spät-aus-dem-Kühlschrank-geholter knochenharter Butter geben möchte, erntet bei uns oftmals alles andere als Dankbarkeit. Wie schnell doch die Stimmung von ‚in froher Erwartung auf Frischfleisch‘ zu ‚ich werde keinen verdammten Bissen runterschlucken‘ umschlagen kann. ‚Ich will machen‘, verkommt in diesen Momenten zum geschrieenen Evergreen, dem sämtliche Körperfunktionen des wütenden laufenden Meters untergeordnet werden. Der eben noch sichere Sitz des Wüterichs auf den kindlichen ‚vier Buchstaben‘ löst sich so schnell in Wohlgefallen auf wie die Koalitionsabsichten der FDP nach der letzten Bundestagwahl.

Wo eben noch Muskeln, Knochen und Bänder den Stützapparat aufrecht hielten, hat man nun das Gefühl, dass die kindliche Materie den flüssigen Aggregatzustand annimmt. Blitzschnell tauchen nacheinander Bauch, Hals und Kinn unter der Tischplatte ab, mit Karacho schlägt die Oberlippe auf der mit Essensresten verkrusteten Tischkante auf, um schließlich mitsamt eines herzzerreißenden Schreies platzend einen Schwall Blut freizusetzen. Mir bleibt der letzte Bissen buchstäblich im Hals stecken. Erste Hilfe statt Abendbrot! Mahlzeit.

5. (K)ein echter Treppenwitz

Wohl kaum ein architektonisches Bauteil ist bei Kindern so beliebt und bei Eltern so gefürchtet wie die Treppe. Ja, leider passieren immer wieder Unfälle auf Treppen. Nicht nur Kindern. Auch Erwachsenen, ja sogar Rentnern, habe ich mir sagen lassen. Eine der wertvollsten Investitionen in häusliches Inventar ist dennoch das Treppenschutzgitter (allein dieses Wort, als ob man die Treppe vor dem Kind beschützen müsste, Kindschutzgitter wäre doch eigentlich logischer). Allein der Einbau oder vielmehr die regelrechte Implantation in die häusliche Baustruktur ist nicht selten nervenverfetzend und mit größten handwerklichen Anstrengungen verbunden, selbst wenn man keine zwei linken Hände hat. Wovor dich und deine Liebsten allerdings auch das teuerste Treppenschutzgitter nicht beschützen kann, ist der Sturz beim Treppenaufstieg. Natürlich kann auch so etwas mal passieren, z.B. wenn glitschige Schuhsohlen oder rutschige Söckchen zu schnell den Weg in die oberen Familiengemächer finden wollen.

Treppen haben etwas faszinierend Einfaches und Sinnbildliches. So schnell wie es (od. man) hinauf geht, geht es (od. man) auch wieder hinab. So wie das Leben an sich – eine Berg- und Talfahrt. Gern mutiert die gemeine Treppe allerdings auch zur spontanen Sit-in-Location, wenn dem grollenden Nachwuchs mal wieder irgendeine Laus über die Leber gelaufen ist. Keinen verdammten Zentimeter bewegen sich die Plagegeister dann. Für Minuten. Ach was sage ich, für Stunden. Es soll sogar Kinder geben, die nach langem Kampf mit dem eigenen Bock auf Treppen eingeschlafen sind, auf ihren nächsten Geburtstag gewartet oder sich dort auf ihre Abiturprüfungen vorbereitet haben.

Dabei ist das Problem mit dem bockenden Kind auf der Treppe hausgemacht. War es nicht Vorzeige-Supernanny Katharina Saalfrank, die uns allen die ’stille Treppe‘ als Ort der Buße und Besinnung näherbringen wollte? Eine Treppe? Zu meiner Zeit wurden bockige oder anders abartige Kinder temporär noch artgerecht in Abstellräume, Bettenkammern, Keller oder Dachböden verwiesen, um dort zur Besinnung zu kommen. Oder einfach vor die Tür gestellt. Im Winter. Bei Schnee. Zumindest musste es entweder besonders dunkel, kalt oder besonders eklig mit vielen Spinnweben sein. Aber im Vergleich dazu macht so eine stilechte Steintreppe mit Mahagoni-Handlauf echt schon was her. Da gruselt sich wirklich jedes Kind, wenn mal wieder mit der Treppe gedroht wird. Das haben wir jetzt davon.

In diesem Sinne freuen wir uns alle wie Sau auf viele wunderbare Wutausbrüche im Jahr 2019!

Image Source: https://www.freestock.com/free-photos/boy-screaming-arms-open-isolated-white-105635438



Veröffentlicht von

rabaukenpapa

Stolzer Dreifach-Papa und CFO (Chief Family Officer), weil gesegnet mit Thronfolger und Zwillings-Prinzessinnen. Vor dem Papa-Job ein Jahrzehnt in der Kommunikation und Werbung tätig, dabei erinnerte Vieles oft an Kindergarten, den ich jetzt 24/7 real zuhause habe.

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